Zwischen Ostern und Pfingsten – Auferstehung wäre wünschenswert

Lesedauer: 3 Minuten

Gastbeitrag von Dr. Simon Mamerow

Kein Feiertag wäre derzeit lieber mit einer Analogie zum diesjährigen Geschehen zu belegen wie Ostern. Ostern – das ist in der klassischen abendländischen Liturgie das Leiden, Sterben und Auferstehen Christi. Zugegebener Weise vom Sterben zu sprechen wäre dann wohl doch etwas viel der Dramatik aber das Land, die Wirtschaft und die Beziehung der Bevölkerung zur Wirtschaft – die Arbeit – leidet. Eine Auferstehung wäre wünschenswert.  

Mit dem Ostersonntag beginnt die österliche Freudenzeit und es wäre wünschenswert das Wiedererwachen würde auch hier einhergehen. Sehen wir uns die Realität an und werfen auch einen Blick zurück. 

Aktuell liegen in Deutschland die Aktivitäten sehr unterschiedlich verteilt vor. Während die öffentliche Verwaltung, die Medienberichterstattung, die Gesundheitsverwaltung und der Lebensmitteleinzelhandel unter der Sonderbelastung ächzen, ist ein anderer – der größere Teil – zu einer Art Tätigkeitslosigkeit in weitem Feld bestimmt worden. 

Das Paradoxe ist, dass die allermeisten Personen sowohl arbeitsfähig als auch -willig wären. Die meisten Menschen erfreuen sich bester Gesundheit und die angeblich positiven Effekte für die Entschleunigung scheinen auch eher als ein zwanghafter Vorteil herüberzukommen verbunden mit den Erkenntnissen die sich langsam einschleichen: Es wird in diesem Jahr wohl keinen großen Auslandsurlaub geben, wahrscheinlich nicht einmal ein Besuch zum Baden an der See oder auch dem See. Es wird schwierig zu vermitteln sein, dass es eine Gefahr gibt die auf lange Sicht beachtet werden muss, auch wenn man sie weder sieht noch wahrnimmt.  

Dasselbe gilt für die Arbeit. Während diejenigen für die Homeoffice eine Alternative darstellt dies gut finden können oder nicht, sind andere Personengruppen von Ihrer Tätigkeit quasi ersatzlos entbunden und dies ohne eine sichtbare Krise, ohne die zehntausenden Toten von denen man zwar hört die man aber real vor Ort nicht sehen kann. 

Was sich ins Bewusstsein gräbt ist die vielgelobte soziale Distanz die selbst eine Frau Käßmann im Fernsehen als große Errungenschaft anpreist, weil wir völlig neue Möglichkeiten der Nähe entwickeln werden. Einem Anthropologen graut es bei diesen Beschreibungen. Es gibt gute Gründe sich derzeit nicht zu umarmen, aber die Geste einer Hand auf der Schulter die beschwichtigend dort liegt, eine tröstende Umarmung oder auch der Händedruck, sie haben alle ihren Platz und der Verlust ist ein realere Verlust der eben nicht durch ein kurzes Lächeln ersetzt werden kann. 

In einigen Kliniken geht es soweit, dass entbindende Mütter alleine entbinden sollen und möglichst schnell von Ihrem Kind getrennt werden um beide nicht zu gefährden. Was die letzten Jahrzehnte über das Bonding erforscht wurde scheint mit einem Male nicht mehr zu gelten und dies ist natürlich Unsinn. Es mag durchaus sein, dass es Gründe gibt so zu agieren – so zu tun als wäre dies kein Problem, ist allerdings gelogen. 

So kommen wir zum Leid, denn viele leiden aktuell. Sie leiden darunter Ihre Kollegen nicht zu sehen. Sie leiden darunter nur spazieren gehen zu dürfen, als würden sie ihre Kreise im Gefängnis ziehen. Sie leiden darunter Freunde, Familien und Verwandte nicht besuchen zu dürfen. 

Man kann dies umdrehen und einmal nicht nur an die Feste denken. Was ist mit jenen die gerade Sorgen haben, die Ihre Arbeit verlieren oder denen die Situation einfach nur Angst macht?  

Vielleicht würden Sie normalerweise Ihre Freunde besuchen und benötigen gerade den Zuspruch. Ernsthaft zu glauben ein Sorgentelefon wäre da Ersatz ist an Naivität kaum zu überbieten. Nicht, dass man mich hier falsch versteht: Es ist wichtig andere anzulächeln, es ist wichtig Telefonate mit dem Sorgentelefon führen zu dürfen, es ist richtig die Seuche ernst zu nehmen – aber es ist falsch entstehendes Leid zu bagatellisieren mit gut gemeinten Ratschlägen wie „Es ginge uns doch gut“. 

Wenn es uns gerade gut gehen soll, dann frage ich mich was an Freiheitsentzug wie in der Justizvollzugsanstalt denn das Problem sein soll. Auch da ist man versorgt hat Ärzte, Essen und einen geregelten Ausgang. Fassen wir also zusammen: Es geht uns im Großen und Ganzen nicht gut. 

Nicht den Arbeitnehmern die getrennt von Ihren Teams arbeiten (Ohne das zu vollen, ich selbst bin großer Freund des Homeoffice in Alleinregie, auch ohne Corona.), nicht den Arbeitnehmern die ihre Arbeit bei bester Gesundheit nicht ausführen können und dürfen und nicht wissen wohin mit ihrer Kraft und oftmals auch nicht den Kindern die vor Bewegungsdrang beinah platzen.  

Es ist statisch gesehen am Rande nämlich nicht so, dass jede Familie ein Haus mit entsprechend großem Grundstück hätte um das Schließen der Spielplätze nicht als Problem zu empfinden. Genug davon – das Leid ist beschrieben. 

Kommen wir zurück zu Ostern. Das Wort stammt etymologisch von dem altgermanischen Wort für Morgenröte Austro (ich folge hier der Argumentation des Duden) ab und hat sich wahrscheinlich mit dem lateinischen Wort Aurora verbunden und zu unserem Wort Ostern geführt.  

Aurora, dies war in der klassischen Mythologie die Schwester des Sonnengottes Helios und der Mondgöttin Selena und stand deswegen genau zwischen der Dunkelheit ihrer kühlen Schwester und dem Brennen des Mittags ihres Bruders. 

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Pandemie mit den Osterfeiertagen endet und es ist auch nicht anzunehmen, dass alles ohne weitere Entbehrungen vorbei geht. Es bleibt aber zu hoffen, dass die dunklere Welt langsam durchschritten ist und Ostern zur Aurora wird und die schlimmsten und längsten Zeiten bereits hinter uns liegen. 

Die Wirtschaft wird nicht einfach wieder anlaufen und so funktionieren wie bisher. Man nennt solche einschneidenden Zeitpunkte in historischen Geschehen Sattelpunkte. Ob dies hier ein Sattelpunkt werden wird oder nur eine kurze außergewöhnliche Episode ist bisher nicht zu sagen. Ob wir die Talsohle bereits durchschritten haben oder nicht ebenso wenig.  

Aber bisher folgte jeder Nacht ein Tag und wenn man schon nicht nach außen gerichtet agieren kann, so ist die Aufarbeitung der innerlichen Aufgaben und Vorbereitung auf das was kommt eine Option um nach vorn zu schauen. Was auch immer unsere Arbeit aktuell sein mag, wenn dies hier vorbei ist werden wir zu tun haben – das zumindest ist gewiss. 


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